Totale Revolution?

Lev Detela

DER PUNK IN SLOWENIEN

Simon Ošlak – Gerasimov, Totale Revolution? – Der Kampf des slowenischen Punk unter dem kommunistischen Regime Jugoslawiens. Verlag Artikel VII – Kulturverein für Steiermark – Pavelhaus Laafeld 30 in Kooperation mit Kulturni center, zavod za umetniško produkcijo in založništvo Maribor. Bad Radkersburg (Österreich) und Maribor (Slowenien) 2017. 180 Seiten.

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Es kommt selten vor, das in Slowenien zeitnah auf künstlerische Bewegungen im Ausland reagiert wird, behauptet der slowenische Soziologe, Politiker und Mitbegründer der Punk – Gruppe Pankrti (1977 – 1987) und der Gruppe heavy metal (1987 – 1997) Dr. Gregor Tomc. Die Entstehung des slowenischen Punk im Gleichklang mit London und Manchester beweist diese These. Die slowenische Punk – Subkultur, die zuerst von den slowenischen kommunistischen Behörden bekämpft wurde und in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts auch durch die Unterstützung der damaligen Jugendorganisation stark geworden ist, „rüttelte die Gesellschaft mit einem heftigen Knall auf und löste eine Entwicklung der Diversität aus, wie sie Jugoslawien zuvor nicht gekannt hatte“, betont Simon Ošlak – Gerasimov in seinem hervorragenden Buch Totale Revolution?, in dem er sehr präzis und ausführlich die dramatische Geschichte des slowenischen Punk unter dem kommunistischen Regime Jugoslawiens beschreibt. Für einige Vertreter der slowenischen Punk – Bewegung war gerade der kulturelle Kampf ein wichtiger kulturpolitischer Mittel, mit dem man den gesellschaftspolitischen Umsturz im Jahr 1990 bewirken könnte.

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Die ausführliche Publikation von Simon Ošlak, der in Graz lebt und als Journalist, Redakteur und Publizist für den ORF arbeitet, dokumentiert in mehreren Kapiteln die Entwicklung des slowenischen Punk und begrenzt sich dabei nicht nur auf Ereignisse in der Hauptstadt Ljubljana, sondern berichtet auch über den Punk in Maribor und in der Provinz, wo er sich erst langsam entwickeln konnte.

In der Samstagbeilage Spectrum der Wiener Zeitung Die Presse vom 17. / 18. Dezember 1983 berichtete der Autor dieses Artikels über die slowenisch – jugoslawischen „Vexierbilder aus schlechten Zeiten“. Mehrere Autoren, Werke und Ereignisse mit gesellschaftskritischen Akzenten wurden vorgestellt. Auch das Bühnenstück „Eine geheime Kommandosache“ von Dušan Jovanovič, eine slowenische Version der „Farm der Tiere“ von Orwell , das nicht in Ljubljana, sondern im Theater der slowenischen Minderheit in Triest aufgeführt wurde. In einer verdrehten Sprache der absurden Ironie wurde in diesem charakteristischen Werk der Zustand einer politischen Paralyse gezeigt und durch die derbe Sprache der Tiere zugleich die Ohnmacht des Staates verdeutlicht.

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In diesem Artikel über die kulturellen Zeichen der Zeit im damaligen Jugoslawien ist auch die junge slowenische Künstlergruppe LAIBACH – NEUE SLOWENISCHE KUNST erwähnt, die sich in bewusster Abgrenzung von einer repressiven politischen Fehlentwicklung in ironischer Verdrehung den deutschen Namen für Ljubljana gegeben hat. Die „schlechten Manieren“, mit denen die Gruppen der jungen slowenischen Generation protzten, verunsicherten die kommunistischen Behörden und waren ein Teil des Kampfes, der in der slowenischen Gesellschaft im Jahr 1990 zu wichtigen Veränderungen führte.

Die legendäre Gruppe LAIBACH besteht noch immer, obwohl sich die Zeiten verändert haben. Vor kurzem gastierte sie als erste moderne westliche Band sogar in Nordkorea. Ist dies ein Zeichen, dass auch im kommunistischen Nordkorea das Rad der Geschichte nicht steht und sich möglicherweise in eine positivere Richtung zu drehen beginnt?

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Objavljeno v jubilejni številki dunajske revije za mednarodno literaturo LOG ob štiridesetletnici njenega izhajanja

(LOG, Zeitschrift für internationale Literatur, Wien, Nr. 157 – 158, 2018, Jahrgang 40 / XL).

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